Es wird doch wohl nicht die direttissima sein

5. Etappe – Von der Gspaltenhornhütte (2.455 m) über das Hohtürli (2.778 m) zum Oeschinensee (ca. 1.600 m)

Die heutige Etappe aus meiner Sicht: 6.30 Stunden Gehzeit, das ist eine Bummeletappe. Die Autorin unseres Wanderführers deklariert es als Königsetappe. Ich in dem Wissen um die genannten Höhenmeter und Gehzeiten, sie hoffentlich durch eigenes Erleben. Aber von vorn…

Wir haben uns in Anbetracht der Gehzeit von 6 Stunden und 30 Minuten für das Frühstück um 7.00 Uhr angemeldet. Ab 6.00 Uhr gibt es Frühstück. Der erste Fehler, trotz ausreichender Hüttenerfahrung. Ab 5.00 Uhr bleibt kein Auge mehr zu. Da hätten wir auch früher aufstehen können. Der Fehler wird auch noch doppelt bestraft. Zum Abendessen und Frühstück sitzen wir an zugewiesenen Tischen in einer festen Gruppe. Alle anderen waren schon vor uns da. Eine Sorte Marmelade war fast leer, im Brotkorb nur noch fast trockene Anschnitte. Ich hasse altes Brot, kann mich aber gelegentlich damit arrangieren – auf Hütten zum Beispiel. Aber alte Brotanschnitte geht gar nicht. Die Seniorchefin schaute etwas irritiert, als ich mit meinem Korb vor ihr stand und um etwas mehr Brot bat. Ich habe ihr versichert, dass wir das im Korb befindliche auch essen, es jedoch nicht reicht. Merke, immer früh zum Essen gehen, dann gibt es ausreichend. Das Birchermüesli jedoch war perfekt.

Der Blick am Morgen von der Gspaltenhornhütte

Bereits um kurz vor 8.00 Uhr starten wir bei grauem Himmel warm verpackt zum Abstieg in den vom Moränenschutt fast ganz bedeckten Gamchigletscher. Man muss sehr konzentriert gehen, da es sehr geröllig ist und man auch für die Wegmarkierungen Aufmerksamkeit benötigt. Wir verlieren 500 Meter an Höhe, ehe wir auf die andere Seite wechseln. Dabei sieht man, wie das Wasser im Gestein tiefe Schluchten hinterlassen hat. Faszinierend.

Jetzt müssen die verlorenen Höhenmeter wieder her und noch ziemlich viele obenauf. Erst geht es über wunderschöne Blumenwiesen, auf denen Schafe und Ziegen weiden. Der Himmel zieht auf, so dass wir erahnen können, dass es uns beim Aufstieg zum Hohtürli sicher nicht kalt werden wird. Wir laufen noch um einen kleinen Kessel herum und können am Hang sehr weit oben bunte Punkte entdecken, was wohl Wanderer auf dem Weg zum Hohtürli sind. Klar ‚Hoh‘ hat bestimmt etwas mit hoch zu tun. Und hoch müssen wir da jetzt. Hoffentlich nicht so, wie es auf den ersten Blick aussieht – die direttissima – direkt kerzengerade, fast ohne Serpentinen den Hang hoch.

Ganz da hoch – so harmlos, wie es aussieht ist es nicht

Doch genau so kommt es. Einfach Schritt für Schritt – einfach gesagt… Meine Waden werden es mir sicher morgen danken. Die ersten 400 hm verlaufen auch genau so. Dann gibt es etwas mehr Abwechslung und vor allem ist das Ziel nicht in Sicht. Das hilft, da man nicht ständig nach oben schaut. Die letzten 200 hm sind Treppenstufen, sonst wäre es aufgrund des Gesteins sicher auch kein Übergang für Wanderer. Der Lieblingsmann meint: „Stell Dir vor, es ist der Turm vom Ulmer Münster“. Den wäre ich allerdings nur einmal hoch gelaufen. Irgendwann nimmt auch das ein Ende. Über den Rand geschaut, tut sich das Blüemlisalpmassiv mit Gletschern und Firnfeldern wunderschön vor uns auf. Alles vergessen! Alle hier oben haben die Mühsal vergessen. Wir haben für 800 hm gerade mal 90 Minuten gebraucht. Es erinnert mich etwas an die Zugspitze vor zwei Jahren. Das war vergleichbar.

Ab jetzt geht es nur noch bergab, was nicht besser ist – im Gegenteil. Es ist nicht so mühevoll, aber ob es die Knie gut finden, wird sich bei 1.300 hm noch zeigen. Die Ausblicke sind jedoch unvergleichlich. Der Steig ist besser zu gehen, als es auf der anderen Seite abwärts wäre. Wir sehen einen riesigen Gletscher und nach etwas mehr als einer Stunde auch den heiß ersehnten Oeschinensee. Allerdings dauert es noch ewig, obwohl das türkise Wasser schon so verführerisch heraufglitzert.

14.00 haben wir es geschafft und werden im Berghaus Oeschinensee herzlich empfangen. Wir haben ein winziges Zimmer mit Seeblick. Der Lieblingsmann wagt einen Sprung in den See, der für die Höhe und dem Zufluss aus Gletschern ziemlich warm ist. Den Nachmittag verbummeln wir auf der Terrasse des Gasthauses und erholen uns von dem Marsch, den man aufgrund der Länge, des Anspruchs und der fantastischen Ausblicke, durchaus als Königsetappe des Bärentreks bezeichnen kann. Eine Bummeltour war es nur bezogen auf die Gehzeit.

5 Stunden 30 Minuten Nettogehzeit, 12 km, ca. 1.000 hm hoch und 1.700 hm abwärts

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